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Ausbildung von Brandschutzbeauftragten - Interview mit Herrn Dr. Friedl

Die Ausbildung für Brandschutzbeauftragte wird von der DGUV Information 205-003 ab Anfang 2024 auf völlig neue Beine gestellt. Wir befragten den 35-fachen Fachbuchautor Dr. Wolfgang J. Friedl aus München, der seit 1986 im Brandschutz arbeitet und als ausgesprochener Pragmatiker gilt, was er von der Umstellung hält.

 

Frage: Herr Dr. Friedl, seit 1998 bilden Sie als Ingenieur für Brandschutz auch Brandschutzbeauftragte nach der Vorgabe des DGUV aus. Was hat sich daran über die Zeit verändert?

WJF: Die Motivation der Leute ist gleich geblieben, das freut mich sehr. Aber die anfänglich gute Ausbildung ist theoretischer, also abstrakter geworden. Das wird der Sache nicht gerecht und manche verwechseln Quantität mit Qualität. Die Mentalität, das Wissen, das Können und das Wesen der zukünftigen Brandschutzbeauftragten bleibt leider zunehmend auf der Strecke.

 

Frage: Was meinen Sie konkret damit?

WJF: Brandschutzbeauftragte sind meist berufserfahrene Handwerker – das ist sinnvoll und positiv. Doch man darf diese Personen weder fachlich, noch intellektuell überfordern. Für den Grundkurs sind auf der Seite der Prävention bauliche, anlagentechnische, organisatorische und juristische Informationen von höchster Priorität. Und auf der Seite des abwehrenden Brandschutzes die wesentlichen Inhalte der ASR A2.2; doch was passiert? Theoretisierte Themen und seltene Randthemen verdrängen das Wesentliche. Beispiele Gefällig? Die Löschwasserrückhaltung mag manchmal wichtig sein, jedoch nicht für diese Ausbildung – und wenn doch, dann kommt ja kein Neuling als einziger Brandschutzbeauftragter in so einen Konzern! Die neu eingeführten Praxisphasen sind völlig unwirtschaftlich und – sorry – eine Lachnummer. Lassen Sie mich zwei Sätze zitieren, der die zunehmende Wertlosigkeit der DGUV-Ausbildung an den Tag bringt: „Vom Ausbildungsteilnehmenden ist ein aussagekräftiger Bericht über die Praxisphase in Textform zu erstellen, aus dem hervor geht, welche Kompetenzen er eingesetzt hat und verbessern konnte (Reflexion). Der Bericht ist von der betreuenden Person zu unterschreiben.“ Ich kenne viele schulende Institutionen und viele schulenden Referenten und wenn ich mit denen telefoniere, dann braucht man manchmal Gehörschutz, um die von der Berufsgenossenschaft vorgegebene Grenze von 85 dB(A) einhalten zu können, so laut lachen die über so viel Unsinn. Nur leider trauen sich manche heute nicht mehr, zu ihrer Meinung zu stehen – das gilt auch für andere Bereiche und wenn man sieht, wie schnell Leute für ihre Meinung abgestraft werden, versteht man diese feige Einstellung auch etwas.

Für mich klingen solche Worte von Reflexion oder Kompetenzvermittlung wie die Theorie des Kommunismus – für infantile Ideologen mag das schön klingen, doch jeder mit halbwegs intaktem Hirn weiß, dass das nichts wird. Dann folgte die Idee mit der Praxisphase – wer soll denn bitte der „Lehrherr“, also der Kontrolleur sein, wenn A in München, B Stuttgart, C in Hannover und D in Leipzig im Betrieb – den der Referent ja nicht kennt –  arbeitet? Auch die Idee mit dem Praxisprojekt ist eine Lachnummer hoch zwei. Man könnte auch vorschlagen: Jetzt werden alle Menschen anständig und brav und wir brauchen deshalb keine Türschlösser mehr an den Haustüren. Es ist einfach infantil, was sich hier ein paar Theoretiker – übrigens von einer Universität, also berufsunterfahrene Anfänger, die von Brandschutz und offenbar auch von Pädagogik keine Ahnung haben – überlegt haben. Leider erklärte den Bübchen und Mädchen kein Profi, wie Brandschutz wirklich funktioniert. Dann wird eine Selbstlernphase empfohlen – da bin ich auch dagegen, denn die wenigsten Menschen sind Autodidakten, also ist das zum Scheitern verurteilt, das Niveau wird deutlich sinken. Und die Zeiten der Ausbildung sind jetzt so geregelt, dass eine Einführungsveranstaltung mit mindestens 12 Unterrichtseinheiten stattzufinden hat. Um Gottes Willen, das sind 12 verschenkte Stunden – kurz einführend sprechen und dann gleich in medias res gehen! Fakten vermitteln, nicht Gewäsch. Ich halte da aufgrund meiner persönlichen und beruflichen Erfahrung deutlich mehr von klaren Informationen und nicht weichgespültem Blabla. Ja, ich habe auch schon Kurse von 07:45 – 17:30 Uhr gehalten! Und die Leute blieben bei der Stange, weil ich sie mitreißen und regelmäßig motivieren konnte. Da sind auch echte private und berufliche Freundschaften entstanden und die Leute hatten Freude und gemerkt, dass sie was drauf haben und Probleme lösen können.

Doch es ist wohl ein Trend der Zeit, für Bildungsabbau oder gar Verdummung zu sorgen – es kommt mir so vor wie 12-jährige Schüler, die zwar besser als ich mit dem Internet umgehen können, aber weder Kopfrechnen noch Grammatik auch nur ansatzweise beherrschen. Auch hier verstehen die zuständigen Behörden aufgrund ihrer Abgehobenheit nicht mehr, dass „herkömmlich“ nicht immer mit „falsch“ und „abändern“ nicht immer mit „super-boh-ey-gut“ verwechselt werden darf.

 

Frage: Was halten Sie von der Digitalisierung? Wir fragen jetzt bewusst und konfrontativ  aufgrund Ihrer kritischen Aussage gegenüber Ihrer offensichtlich überschaubaren Fähigkeit mit dem Umgang neuer Medien.

WJF (lacht): Nur weil ich über 60 bin, muss ich ja noch kein seniler Sack sein. Nein, im Ernst – ich liebe mittlerweile die neuen Medien. Noch niemals in den letzten 6.000 Jahren war es so einfach und preiswert, an so viel und so gutes Fachwissen heran zu kommen. Kürzlich hielt ich für das Haus der Technik in Essen von München aus einen dreitätigen Kurs und die Leute haben echt viel gelernt und das merkten sie auch. Sie waren am Ende so gut drauf, so herzlich, so was zu erleben ist großartig!

Als ich Anfang der 80er Jahre studierte, gab es in Hagen die erste Fernhochschule Deutschlands. Wir Studenten lachten darüber, weil wir unser Studentenleben genossen und einen Spaß hatten, den sich heutige Generationen nicht mehr vorstellen können – ich meine z. B. das Studentenleben meiner Kinder, beide längst berufstätig mit 26 und 28 Jahren. Und – ganz wichtig – wir haben damals wirklich Wissen gelernt, gebüffelt bis 3 Uhr morgens, dann noch zwei Bier getrunken und um 8 Uhr standen wir vor dem Professor und haben überzeugend abgeliefert. Also, um es kurz zu machen: ich habe heute nach über 40 Jahren meine Meinung über Fernkurse geändert, auch Dank der Corona-Pandemie. Die digitale Ausbildung hilft der Umwelt, dem Geldbeutel des Unternehmers und dem Auszubildenden. Ich mache seit über einem Jahr solche Schulungen und finde zunehmend mehr Spaß daran. Andere Referenten haben aufgehört, wollten „so was“ nicht. Es ist ja so, dass die Leute mein Gesicht und damit meine Emotionen ständig auf dem Bildschirm in klein sehen – also wie im Hörsaal – und die Präsentation ist im Großen auf dem Bildschirm. Dabei sind die Leute lässig zu Hause am Wohnzimmertisch, liegen im Bett mit dem Laptop oder sitzen am Schreibtisch im Büro vor dem großen Bildschirm. Sie können jederzeit was trinken, später auch Fragen stellen und – das ist jetzt der ganz große Vorteil von Videoschulungen – anhalten, um auf die Toilette zu gehen oder etwas zu essen. Und selbst bei den Videoschulungen haben die Leute die Möglichkeit, später per eMail oder live-Veranstaltung (egal ob vor Ort oder digital) Fragen zu stellen. Zudem ist der Brandschutz ja nicht wie die Kernphysik nur für die oberen 1 % der Überflieger verständlich, sondern – wenn man zuhört – völlig logisch und nicht schwer zu verstehen. Was es schwer macht sind die vielen Informationen. Und die Leute können auch die Schulung zurück laufen lassen, um sich die letzten Minuten noch mal anzuhören. Ist das nicht großartig? Außerdem kann ich ehrlich berichten, dass es praktisch keine Verständnisfragen gibt, weil der Stoff verständlich ist. Die Fragen beziehen sich meist auf konkrete Situationen in den Unternehmen und wie man damit umzugehen habe.

 

Frage: Der DGUV will aber solche Kurse verbieten in der Information 205-003.

WJF: Also, erstens ist das eine Information der Berufsgenossenschaften und weder eine Regel, noch eine Vorschrift. Zweitens kann die BG keine solchen Verbote aussprechen. Und drittens haben dort offenbar manche den Schuss noch nicht gehört. Wir leben nicht mehr in den 80er Jahren oder davor. Und selbst damals wurden schon Studenten auf Entfernung und ohne Hörsaal ausgebildet. Damals ja noch mit dem Versenden von Papier, das man sich durchlesen musste. Das ist doch heute großartig verbessert – sehen Sie sich nur meinen Kurs bei Bildungsgrad an, da wurden Kurzfilme, Brandversuche und informative Texte gekonnt von einem engagierten Profi gemischt und es macht richtig Spaß, da zuzuhören. So geht Wissensvermittlung heute: effektiv und effizient!

 

Frage: Und die Ausbildung mit Handfeuerlöschern, die machen Sie dann auch theoretisch?

WJF: Wir müssen uns die Frage stellen, ob Brandschutzbeauftragte das wirklich brauchen. Schließlich ist, wenn es im Unternehmen mal brennt, ja mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht der Brandschutzbeauftragte vor Ort und löscht, sondern die Belegschaft. Die muss also löschen können. Um dieses Dilemma zu beseitigen, wurde vor wenigen Jahren ja in der DGUV Information 205-023 gefordert, dass es mindestens 5 % Brandschutzhelfer geben muss. Doch wie so oft wenn der Staat versucht, etwas zu verbessern, wird es danach schlechter, leider. Nun ist es also so, dass 95 % der Belegschaft wissen, dass einige wenige mit Löschern umgehen können. Fazit: 95 % löschen natürlich im Brandfall nicht, weil es ja offenbar die Aufgabe der anderen 5 % sei, jetzt einzugreifen. Der fähige Feuerwehr-Chef Jürgen Wolf von Boehringer in Ingelheim ist leider schon im Ruhestand, er brachte mich auf dieses Dilemma; er hielt diese 5-%-Regelung für kontraproduktiv und schaffte es, 96 % der Belegschaft praktisch an Handfeuerlöschern zu schulen. Solche Leute beeindrucken mich – die haben verstanden, worum es geht. Doch Theoretiker, die weder je eine Schulung selbst gehalten haben, noch ein Unternehmen mal in Richtung „Brandsicherheit“ begangen haben, die erstellen dann solche Vorgaben. Leider. Willkommen in der Wirklichkeit. Es kommt mir so vor wie in der Politik, wo manchmal Studienabbrecher oder sogar Schul-Komplettversager mit 23 oder 35 Jahren und ohne jemals gearbeitet zu haben uns vorschreiben wollen, was richtig und was falsch ist. Ein ganz gefährlicher Trend, wenn Dilettanten und Versager das Sagen haben, dem müssen wir entgegen treten. „Gut gemeint“ ist oft 180 Grad von „gut gemacht“ entfernt.

 

Frage: Das klingt so, als ob Sie alles anders und alles besser machen könnten.

WJF (lacht): Meist sind lediglich kleine Korrekturen deutlich sinnvoller, als das Lenkrad herum zu reißen. Das System darf nicht ins Schlingern geraten, nein es muss optimiert werden – aber bitte von fähigen Leuten, von Praktikern! Ja, ich würde einiges anders machen. Zielorientierter, pragmatischer. Den Finger auf die Wunde legen und das Wesentliche vermitteln. So mache ich es ja auch bei meinen Ausbildungen und komme gut damit an. Auch der Erfolg meiner brandschutztechnischen Fachbücher zeigt mir, dass ich mit meinem Wesen und meiner Art der Wissensvermittlung ganz weit oben bin.

 

Frage: Warum ändert sich der Markt so schnell?

WJF: Heute hat Wissen eine Halbwertszeit von ca. 2 Jahren, vor 20 Jahren waren es 7 Jahre und im Mittelalter ca. 300 Jahre. Das ist Fakt. Auf die zunehmenden Veränderungen muss man zügig reagieren. Viele schaffen das aber nicht, insbesondere die sogenannten „großen“ hinken da der angeblich ach so guten alten Zeit stark nach. Veränderung ist nötig, weil es wie eine ex-Funktion in immer kürzeren Zeitabständen immer mehr Wissen gibt. Da muss man sich ändern, mithalten können und dabei ist es egal, ob man 20, 45 oder 61 Jahre alt ist. Manche können oder wollen das nicht und die wird es bald nicht mehr auf dem aktiven Markt geben. Das ist der wahre Grund, warum Digitalisierung angeblich von allen zwar gewünscht wird – aber wenn man sie dann umsetzt, stöhnen die Hinterbänkler und sind dagegen. In Wahrheit wollen sie sich nicht ändern oder können es aufgrund der eigenen Trägheit nicht. Ist doch in der Politik nicht anders: von den Staaten, die den sicherlich sinnvollen Pariser Klimagipfel unterzeichneten, halten sich nur 10 % daran und 90 % nicht. Zurück zum Brandschutz, denn manche haben es voll drauf, auf die neue Technik umzusatteln, etwa der BWV e. V. in München schult Versicherungsleute, er hat seine Schulungen in Rekordzeit umgestellt und ist damit Marktführer geworden. Heute gilt: nicht der bessere hängt den schlechteren ab, sondern der schnellere den langsamen.

Aber, Entschuldigung: wenn Studenten bereits digital geschult werden dürfen und sogar Uniprüfungen am PC zu Hause abgehalten werden – wie soll man dann denn einem auch nur durchschnittlich intelligenten Menschen vermitteln, dass man so zwar einen Steuerberater, eine Lehrkraft oder späteren Richter ausbilden darf – den betrieblichen Brandschutzbeauftragten aber nicht. Von meinem Schulfreund Thomas studiert die Tochter Lehramt in Siegen; sie hat jetzt 2 Semester fast ausschließlich Laptop-Vorträge gehört, Fragen waren nicht möglich, und selbst die Prüfungen von zu Hause aus abgelegt. Da geht es – warum also nicht bei Brandschutzbeauftragten? Zukünftige Generationen werden über diese rückschrittlichen Blockierer und Asche-Anbeter genauso lachen, wie wir heute über die Maschinenstürmer, lt. Internet um 1844 – die Weber hatten berechtigter- und verständlicherweise Angst, dass ihre Arbeitsplätze wegfallen, wenn man Stoffe schneller und preiswerter mit Maschinen herstellt, anstatt die vielen Weber zu bezahlen. Also zerstörten zunächst schlesische Weber die moderne Technik, denn es ging um ihre Existenz – die Sozialgesetzgebung wurde erst ca. 50 Jahre später von Bismarck eingeführt. Doch der Fortschritt lässt sich nicht aufhalten und wenn, dann nur kurzfristig. Sie sehen – wir Menschen haben uns nicht weiterentwickelt. Übrigens gilt das auch in der Politik, leider!

 

Frage: Wie reagiert der Markt denn auf die absoluten DGUV-Vorgaben und die geplanten Einengungen?

WJF: Manche mit an Peinlichkeit kaum zu überbietendem, vorauseilendem Gehorsam, wie es wohl unserer Deutschen Mentalität entspricht. Andere damit, dass sie überlegen, eigene Normen und Richtlinien zu entwerfen und die Schulung nach eigenen Vorgaben zu gestalten. Dann gerät der DGUV, analog dem Verfall der VdS-Vorgaben, zunehmend in die Bedeutungslosigkeit.

 

Frage: Ist es aber nicht sinnvoller, etwas zu standardisieren?

WJF: In der Theorie schon, aber wenn die Vorgaben a) zu eng und b) zu unsinnig werden, dann soll man sich nicht nur wehren – nein dann muss man sich wehren. Der Brandschutz steht im Vordergrund. Die Wissensvermittlung steht im Vordergrund. Der Mensch steht im Vordergrund. Bitte bloß keine falschen Ideologien oder abstrakten Theorien in den Vordergrund stellen!

 

Frage: Wie soll es denn nun weitergehen?

WJF: Es geht nur gemeinsam, mit konstruktiver Kritik. Nicht entweder/oder, sondern sowohl/als auch. Mehr Toleranz, mehr Spielraum. Wo steht denn geschrieben, dass es unbedingt 64 Unterrichtseinheiten sein sollen? Vor 10 Jahren wurde bei uns in Bayern das ach so moderne 8-jährige Gymnasium wieder auf 9 Jahre umgestellt, nachdem sich zuvor 9 Jahre Gymnasium über 5 Jahrzehnte bewährt haben. Ist es nicht schön, wenn Menschen – hier die Politiker in Bayern – erkennen, den falschen Weg gegangen zu sein und dann umkehren? Was die CSU in Bayern hinbekommen hat, das wird der DGUV auch schaffen, da bin ich mir sicher. Denn da sitzen auch ein paar fähige Leute – aber eben wie in der heutigen Politik oder in Unternehmen auch nicht immer die richtigen Leute ganz oben.

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